Kaum ein Wort hat mich in der Zeit, in der ich Twitter aktiv nutze -also knapp zwei Jahr- neben dem inflationär gebrauchten (nebenbei gesagt: den Deutschen in der Form exklusiven) Begriff der #Digitalisierung so häufig nachdenklich gemacht wie der der #Filterblase. Nicht zuletzt, um für meine psychische Hygiene zu sorgen, habe ich diese Zeilen geschrieben:
Die Filterblase als Problem
In beinahe allen Diskussionen, die ich verfolgte, fand die #Filterblase eine Verwendung in negativer Konnotation. Man verbindet damit den Zustand, dass sich Kommunikation nur zwischen solchen Personen abspielt, die den gleichen oder zumindest einen ähnlichen Standpunkt vertreten. Gerade in sozialen Medien kann das zum Problem werden, vor allem dann, wenn es um Politik geht. Blendet man alle konträren Argumente aus, ergibt sich ein sehr einfaches Bild der Gesellschaft, das so nicht der Realität entspricht. Und im Gegensatz „zu früher“, also der Prä-SocialMedia-Ära bedarf es lediglich eines Klicks oder Fingertips, um unangenehme Stimmen oder Meinungen für sich zum Schweigen zu bringen. Dass dies nicht nur Verschwörungstheoretikern und Leuten mit finsterem Gedankengut ganz recht ist, liegt auf der Hand. Das eigentliche Problem aber liegt tiefer: Man verliert die Fähigkeit, sich im Sinne der Sache auszutauschen mit einem Gegenüber, der möglicherweise andere, aber eben nicht eindeutig schlechtere Standpunkte vertritt – eine Fähigkeit, die ich als grundlegend für unsere Gesellschaft erachte. Die Fähigkeit zur Kontroverse, zum Diskurs, mit dem Ziel eine Sache umfänglich zu beleuchten und darauf aufbauend eine moralisch vertretbare Lösung für ein Problem zu finden, ist einer jener Grundpfeiler, die Schule vermitteln muss – in diesen Zeiten mehr denn je. Habermas und Co lassen grüßen!
Die Filterblase als Reaktion
Aber ist eine wie auch immer geartete Filterblase per se zu kritisieren? Mir ist die oben dargelegte Sichtweise zu einseitig! In manchem Kontext sind die Gefahren definitiv real und auch zu beklagen, aber in vielen Dingen ist die so genannte Filterblase ein gesellschaftliches Phänomen, das es in seiner ursprünglichen Form schon immer gab und an sich nicht wirklich zu kritisieren ist. In jeder größeren Gruppe gibt es schließlich kleinere Gruppen, in denen sich die Personen zusammenfinden, die sich besser verstehen oder eben z.B. gemeinsame Interessen aufweisen. Solange diese „Grüppchenbildung“ nicht dazu führt, dass sich die einzelnen Gruppen separieren und sich nicht mehr für andere interessieren, ist das kein Problem, sondern schlicht menschlich.
Versuch eines Ausblicks
Ich habe mich – um zum Thema zurückzukommen – immer wieder gefragt, wo die Grenzen einer solchen #Filterblasenmentalität bei einem selbst sind. Um es vorweg zu nehmen: Ich bin noch nicht wirklich zu einem Schluss gekommen, aber ein paar Eckpunkte habe ich für mich definiert, die mir bislang geholfen haben und (überraschenderweise) zum Teil banal sind:
- Ist mein Gegenüber überhaupt an einem echten Austausch interessiert? Falls nein, muten!
- Pflegt mein Gegenüber einen sinnvollen Ton? Falls nein, muten!
- Agiert mein Gegenüber mit plumpen Vorurteilen und vertritt diese vehement? Falls ja, muten!
- Habe ich mich missverständlich ausgedrückt? Falls ja, um Entschuldigung bitten und klarstellen.
- Ist mein Gegenüber in der Lage, konstruktiv zu agieren? Falls nein, muten!
Die Liste ist (leider) bei weitem kein Rezept für ein richtiges Agieren im SocialMedia-Bereich. Ich habe aber die Erfahrung gemacht, dass ich damit entspannter und zielgerichteter Informationen gewinnen kann, die mich und meinen Unterricht weiterbringen. Das Problem dabei: Mir ist bewusst, dass das auch die Leute für sich in Anspruch nehmen, die ich im ersten Teil angesprochen habe. Heißt für mich: Es bleibt schwierig!
Andererseits ist das der einzige Weg, wie ich Twitter als beste Ideenquelle für den Unterricht nutzbar erhalte. Denn Leute, die nur sagen, wie es nicht geht, alles besser wissen, aber den Nachweis schuldig bleiben, dass dies so ist, oder solche, die mit schier unerträglicher Arroganz anderen erklären, wie man etwas zu machen oder was man gut zu finden hat, machen Twitter zu einem Sumpf, der nur Nerven kostet und die Work-Life-Balance gefährdet.
In diesem Sinne bin ich offen für alle Anregungen, die mir den richtigen Weg weisen – nicht ohne nochmals darauf hinzuweisen, dass ich hier nur versucht habe, meine Erfahrungen zu schildern und die Comunitiy daran teilhaben zu lassen. Ob dieser Beitrag tatsächlich sinnvoll ist, muss jeder für sich beurteilen 😉