Locken, um dann abzukassieren – Apple zeigt, warum manche zurecht skeptisch sind

Von | 26. Oktober 2022

Digitale Souveränität – mehr als nur eine Ideologie

Ich gebe zu, dass ich auch zu denen gehöre, die mit dem Begriff eher weniger anfangen können. In nahezu allen relevanten Feldern ist meiner Einschätzung nach der Zug abgefahren: Auf Betriebssystem-Ebene gibt es im Desktop-Bereich praktisch nur Windows oder MacOS. Während man aber auf dem PC wenigstens noch „theoretisch“ die Möglichkeit hat, auf Linux zu setzen und ein solches relativ einfach zu installieren ist, sieht es auf dem mobilen Sektor noch düsterer aus: Hier gibt es faktisch nur IOS/IpadOS (von Apple) oder Android/ChromeOS (von Google). Da die ARM-Variante von Windows hier keine messbaren Marktanteile vorweisen kann, lasse ich Windows außen vor (Solche Geräte der Surface-Klasse sind dann technisch gesehen ohnehin näher am Desktop/Notebook). Wenn man es also aus technischer Sicht betrachtet, gibt es – vor allem im mobilen Bereich – keine Alternative zur „Digitalen Abhängigkeit“. Man komme mir bitte nicht mit AOSP-Projekten Marke LineageOS – das ist definitiv nicht massentauglich und durch immer weniger offene Bootloader nur für echte Nerds tatsächlich relevant! :smirk:
Und genau diese digitale Abhängigkeit sollte man nicht als ideologisches Monstrum verteufeln, sondern zur Kenntnis nehmen und Lösungen andenken. Warum ich das genau jetzt schreibe?

Apple demonstriert: Wir nutzen das aus!

Apple stellte vor knapp einer Woche (10/2022) ein neues „Einsteiger-Ipad“ vor, das rund 200 € (also rund 60% !!!) teurer ist als der Vorgänger. In vielen Schulen – unter anderem auch oft im Rahmen des Schulversuchs „Digitale Schule der Zukunft“ – setzte man auf die (ca 380 € teuren) Einsteiger-Ipads – nicht zuletzt aufgrund des attraktiven Preis-Leistungs-Verhältnisses. Diese Implementierung wird mindestens sehr viel schwieriger – im Worst Case-Szenario gar unmöglich, wenn sich in diesen Zeiten die Kosten beinahe verdoppeln.
Und von heute auf morgen rücken 1:1-Szenarios in weite Ferne, wird für viele Familien eine digitale Schulfamilie zum finanziellen Problem.
Auch Experten sehen den Apple-Schritt äußerst kritisch und fragen sich, was Apple mit einem solchen LineUp tatsächlich bewirken will. Soziale Interessen scheinen es wohl eher weniger zu sein 😉

Noch ist Zeit, aber die Gefahr ist inzwischen real

Fairerweise muss man ergänzen, dass Apple das „alte“ Einsteiger-Ipad noch offiziell anbietet und damit die ca 380 € noch zu einem schultauglichen Ipad reichen.
Doch es wird eine Frage der Zeit sein, wann das Ipad der 9. Generation aus dem Portfolio von Apple verschwindet. Und dann stehen wir als Schule vor einem echten Problem: Denn dann sind in bestimmten Jahrgangsstufen Ipads das Medium des Schulalltags, an das sich alle gewöhnt haben und das von allen (;) ) akzeptiert und fehlerfrei bedient wird. Dann auf ein Windows/ChromeOS/Android-Device umzustellen wird nicht nur viel Energie, sondern auch Vertrauen kosten und könnte in eine restaurative Phase münden, die eher weniger zur Erhöhung der Bildungsqualität führen dürfte.

Ausblick

Fakt ist: Wir können und werden von unseren neuen Schülerinnen und Schülern kein Gerät verlangen, das Minimum 580 €, faktisch weit über 700 € kostet. Andererseits möchten wir jedoch unseren Weg, von dem wir überzeugt sind und der unseren Kindern und Jugendlichen viele neue Möglichkeiten bietet, weitergehen.
Und damit niemand auf die Idee kommt, mir ginge es hier um Apple-Bashing: Das Problem könnte auch mit allen anderen Playern entstehen. Apple sind nur die ersten, die das in der (verantwortungslosen) Art umsetzen.
Andererseits bin ich aber nach wie vor auch der Überzeugung: Ein nachgebauter Messenger, der nicht ansatzweise den Funktionsumfang z.B. von MS Teams aufweist, würde ebenfalls die oben angedeutete restaurative Phase im Kollegium und der gesamten Schulgemeinschaft zur Folge haben.
Es braucht Planungssicherheit und Verbindlichkeit – das ist für mich die Grundvoraussetzung, um tatsächlich über digitale Souveränität reden zu können.