Aufsätze am Notebook schreiben – Versuch einer Analyse

Von | 5. März 2024

Vorbemerkung

Ich bin keine Lehrkraft mit einer Fakultas im Bereich Sprachen und kann daher nur als „Außenstehender“ zum Thema schreiben. Im Folgenden versuche ich zu analysieren, inwieweit es Sinn macht, einem Schüler/einer Schülerin das Verfassen eines Aufsatzes auf einem mobilen Endgerät zu ermöglichen.

Was diese Analyse bezweckt?

Einen Austausch und eine Diskussion über ein oft erst auf den zweiten Blick komplexes Thema, um eine möglichst gerechte und sinnvolle Lösung für alle Betroffenen zu finden.

Was dieser Post nicht will…

… ist Bevormunden oder den Anspruch auf Vollständigkeit erheben oder gar zu glauben, die Lösung gefunden zu haben.

Ausgangssituation

Die Aufgabe zum Beispiel im Fach Deutsch besteht darin, einen Aufsatz (unabhängig von der Form und der Gattung!) im klassischen Format zu schreiben, also keine neuen Prüfungsformate (obwohl das mit hoher Wahrscheinlichkeit und nach meiner eigenen Überzeugung der sinnvollere Weg wäre!).

Was spricht für einen Einsatz des Notebooks als Papierersatz?

  • Lesbarkeit
  • fächerübergreifender Aspekt
  • (nachträgliche) Formatierungs-/Umgestaltungsmöglichkeiten (im Gegensatz zu: „Geschrieben steht es erstmal fix so da!“)
  • ggf. Rechtschreibkorrektur
  • neue Möglichkeiten der Korrektur/ des Feedbacks (z.B. durch Einsatz von KI)

Was spricht gegen einen Einsatz des Notebooks als Papierersatz?

  • u.U. keine Notebooks mehr flächendeckend als Leihgeräte vorhanden
  • Was passiert bei einem Absturz (=Datenverlust)?
  • Was passiert bei einem leeren Akku?
  • Chancenungleichheit wird u.U. verstärkt (z.B. durch höhere Tipp-Fertigkeiten)
  • erweiterte Betrugsmöglichkeiten für technisch versierte Schüler
  • Archivierung?

Sonderfall LRS/ Legasthenie

Wenn nur z.B. ein einzelner Schüler auf diese Möglichkeit zurückgreifen soll (z.B. weil er mit seiner Handschrift lediglich einen schlecht lesbaren Aufsatz verfassen kann), treten neben den offensichtlichen Chancen zusätzliche Risiken auf:

  • Ungleichbehandlung (mehr Möglichkeiten z.B. durch Drag&Drop)
  • u.U. noch stärkere Separierung (z.B. wenn der Schüler auch über weniger ausgeprägte Tipp-Fertigkeiten verfügt)

Was bleibt?

Die Frage, ob ein solcher Weg, der selbstredend nur sehr wenig bis nichts mit einer digitalen Transformation zu tun hat, sinnvoll im Sinne einer Weiterentwicklung ist, kann ich nicht final beantworten. Stattdessen hoffe ich auf den Input der Community!

Noch eine Bitte zum Schluss…

Bitte keine Kommentare Marke „Wer überlegt sich denn sowas? Was soll das? Das ist keine Trasnformation“. Diese Fragen sind mitunter mehr als berechtigt, aber in diesem Kontext sinnlos, weil sie die hier genannten Fragen bzw. Aspekte nicht betreffen 😉

4 Gedanken zu „Aufsätze am Notebook schreiben – Versuch einer Analyse

  1. Kristina

    Lieber Michael,
    ich teile viele der Aspekte, die du hier genannt hast.

    Bei einzelnen Schüler*innen habe ich bisher nur die Erfahrung gemacht, dass dafür dann auch ein entsprechender Nachteilsausgleich, der durch den sonderpägagogischen Dienst empfohlen und durch die MB-Dienststelle bewilligt wurde, vorlag. Das hat dann wiederum dazu geführt, dass es eigentlich nie vom Kollegium als Ungleichbehandlung empfunden wurde, sondern immer als das, was es dem Begriff nach auch sein sollte: Ein Ausgleich klar vorhandener Nachteile. Zugegebenermaßen würde ich das aber auch nicht als Lehrkraft individuell – zumindest für Prüfungssituationen – entscheiden wollen!

    Einen Aspekt möchte ich unbedingt noch hinzufügen, gerade wenn eigentlich die Frage nach der Transformation gestellt wird: Schreiben soll eigentlich schon länger prozessorientiert und nicht produktorientiert trainiert werden. (Vgl. Lehrpläne oder Handreichung „Neues Schreiben“ vom ISB.) Es soll also nicht nur ein Schwerpunkt auf dem Ausformulieren, sondern auch auf der vorherigen Schreibplanung und vor allem der anschließenden Überarbeitung liegen. Will man das sinnvoll machen, geht es eigentlich nur digital, denn entweder ist so wenig zu verbessern, dass weite Teile der Verbesserung in stupidem Abschreiben münden und als Strafe empfunden werden können. Ist viel zu verbessern, bräuchte man ganz dringend die Möglichkeit, Stichpunkte im Dokument zu notieren und dann zu löschen/überschreiben… Einfügungen, Verschiebungen & Co. könnten den Schüler*innen einen völlig neuen Blick auf ihre Texte ermöglichen und letztlich auch mehr Gestaltungsfreiheit schaffen, denn das „Schreiben in einem Guss“ führt viel zu oft zum Einüben von Floskeln, um sie zu entlasten, als zu echter Kreativität, weil es so schnell unübersichtlich wird.

    Letztlich wäre es ein riesiger Schritt hin zu „echtem“ Schreiben, wenn wir, freilich erst ab einer gewissen Jahrgangsstufe, Aufsätze digital schreiben ließen. Denn gute Texte entstehen nicht qua genialer Eingebung, sondern durch Überarbeitung, Feedback von anderen und neue Gedanken. (Sieht man z.B. ganz gut, wenn einem beim Bloggen die Anzahl der Revisionen angezeigt wird. Bei mir sind es selbst bei kurzen Texten selten weniger als 20…und auch der Zeitraum bis zum fertigen Text ist viiiiel länger als die Aufsatz-Arbeitszeit…) Das kann man digital viel besser und vor allem auch zeitsparender (schnelleres Feedback durch Tippen, einfaches Ermöglichen von Peer-Feedback etc.) schaffen, gerade wenn man Funktionen wie „Änderungen nachverfolgen“ (MS Word) dafür nutzt. In der Konsequenz muss man für eine echte Transformation auch das Prüfungsformat anpassen. Das Potenzial wäre allerdings gerade beim Verfassen längerer Texte definitiv da. (Und eigentlich auch einen eigenen Blogpost wert.)

    Ich hoffe, dass ich dein Anliegen richtig verstanden und ein paar sinnvolle/weiterführende Gedanken formuliert habe. 😉

    Liebe Grüße

    Kristina

  2. mike Beitragsautor

    Liebe Kristina, Danke für deine wertvollen Rückmeldungen, die die Sache definitiv weiterbringen! #thx

  3. Herr Rau

    Ich habe schon ein paar Deutschaufsätze (als schriftliche Prüfung) auf Geräten schreiben lassen. Das waren allerdings die Geräte im Computerraum, keine Notebooks. Mit Tablets oder kleinen Notebooks könnte ich nicht sinnvoll mit viel Text arbeiten, ab einer bestimmten Größe geht das aber. Am Ende der Arbeit wurde ausgedruckt, als Sicherheitskopie und für die Archivierung. Das war aber ohnehin alles Mittelstufe, ein Fehler zu verschmerzen gewesen; sobald Noten abiturrelevant werden, wäre ich vorsichtiger. Wer wollte, durfte von Hand schreiben; das waren die wenigsten – aber so oder so hatten manche Sorgen, das Tippen der anderen würde stören. Und ja, ich glaube auch, dass die Chancenungleichheit verstärkt wird – aber daran führt kein Weg vorbei in der Schule.

  4. mike Beitragsautor

    Danke für das Teilen der Erfahrungen!

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