Das unverschämte Ultimatum der Lehrer – eine Gegenrede

Von | 24. März 2021

Von der meiner Meinung nach seriös arbeitenden Journalistin Anna Günther (@DenkaufdemDach) stammt ein am 23.3.21 erschienener Kommentar, der diesen Blogpost notwendig machte! Nicht weil ich einen RANT gegen die sympathische Journalistin verfassen möchte und auch nicht, weil mir gerade langweilig ist, sondern weil dieser Kommentar eine Geisteshaltung ausdrückt, wie sie derzeit – leider – an entscheidender Stelle auch angetroffen werden könnte und einen so entscheidenden Denkfehler beinhaltet, dass es mich auch beim x-Mal der Wiederholung tatsächlich fassungslos macht.

Doch der Reihe nach …

Von groben inhaltlichen Fehlern wie dem, dass Forderungen des BLLV (die ich in weiten Teilen ablehne!) auf „die Verbände“ verallgemeinert werden und im Vorbeigehen die Angst vor dem Verlust des fundamentalsten Wertes, nämlich des Lebens, mal geflissentlich ignoriert wird, möchte ich eigentlich gar nicht reden, obwohl ich der Autorin gerne mal ein paar Kolleginnen und Kollegen vorstellen würde, die durch Infektionen im schulischen Umfeld mehr verloren haben als das, was man mit Geld wieder reparieren kann.

Und so werde ich mir nur ein paar Aussagen herausgreifen, die mehr sind als platte Parolen ohne Substanz, sondern einfach blankes Unwissen oder Ignoranz…

Zitat 1:

Es muss unzweifelhaft besser laufen: Es braucht klare Regeln und überall genügend Tests. Aber solange nicht alle geimpft sind, sind Tests unter Aufsicht der sicherste Weg.

„Sicherster Weg“ ist für mich das Stichwort: Es ist also sicher für die Schülerinnen und Schüler, wenn diese mitten in der dritten Welle morgens das Haus verlassen, in einen Schulbus – wir reden hier vom Szenario „Wechselunterricht in allen Jahrgangsstufen“ – steigen, der unserer Erfahrung nach mit ca. 60% ausgelastet ist, dann in die Schule gefahren werden, dort das Klassenzimmer betreten, um dann in Gegenwart von ca. 15 Personen im Idealfall bei offenen Fenstern (sofern es die gibt!) einen Testcocktail zu mischen, die Maske ca 2 Minuten abzunehmen und dann den Test zu beenden? ☺️ Die kontaktlose, hygieneplankonforme Entsorgung (es dürfen ja im Unterricht nicht einmal Arbeitsblätter direkt übergeben oder abgeholt werden; die Frage, wie das bei möglicherweise infektiösen Testutensilien zu handeln ist, *schweigen*!) erspare ich ihr!?

Doch die entscheidende Frage ist aber eine andere: Möchte Frau Günther uns tatsächlich Glauben machen, dass es in Sachen Infektionsvermeidung sinnvoll ist, möglicherweise infektiöse Kinder in Gruppenstärke und ohne Abstand in die Schule zu karren, sie dort zu testen und dann im (möglichen) Infektionsfall wieder (Zitat Kultusministerium) „abzusondern“? Ist ihr klar, dass die Eltern zu informieren sind, die dann wiederum sofort einen PCR-Test in einem nahen Testzentrum durchführen lassen müssen? Ist ihr klar, was ein solches (in einer Schule mit mehr als 500 Schülerinnen und Schülern mehrfach am Tag anzunehmendes) Szenario mit den Menschen macht?

Das empfindet die Dame als „sicher“. Ich empfinde das als eine Mischung aus Zynismus und Ignoranz. ?

Zitat 2:

Das ist nicht nur unverschämt, sondern auch unsolidarisch denen gegenüber, die noch gefährdeter sind durch das Virus. Damit bedienen die Verbände zwar die Wut vieler Mitglieder, aber sie schaden auch den Lehrern, die den Kindern endlich wieder richtigen Schulunterricht geben wollen. So schnell wie möglich.

Womit wir wieder beim Thema wären. Wie würde Frau Günther es nennen, wenn man als verantwortungsbewusster Lehrer ignorieren würde, was ein positiver Schnelltest in der Klasse mit den Kindern macht? Hat sie sich einmal informiert, wie die Erfahrungen im so ist als Vorbild genannten Österreich sind. Die Inzidenz dort ist wahrlich kein gutes Beispiel! In der Altersgruppe unter 14 sind viele Fragen offen … und ganz nebenbei: In Österreich sind alle Lehrkräfte geimpft. Dort muss es ziemlich unsolidarisch zugehen!

Kinder, die „abzusondern“ sind, werden in großer Angst auf ihre Eltern warten. Kinder, die in der Klasse saßen, werden extrem verunsichert sein und sich Sorgen machen. Stigmatisierte Kinder und die Folgen …  Eltern, die in Sorge vom Arbeitsplatz an die Schule eilen, ihr Kind abholen und zum Testzentrum bringen.

Ganz nebenbei, aber als Journalistin, deren Arbeitgeber mit dem Slogan „Seien Sie anspruchsvoll!“ wirbt, sollte man sich auch mal mit der Problematik von Schnelltests an sich auseinandersetzen und deren Konsequenzen in die hier behandelte Thematik miteinfließen lassen…. https://www.aerzteblatt.de/archiv/218457/Hochfrequente-Selbsttestung-von-Lehrenden-auf-SARS-CoV-2-mit-einem-Antigen-Schnelltest

 

All das sind keine Schreckensszenarien, sondern Erfahrungen, wie sie jeder bestätigen wird, der in diesen Zeiten seinen Dienst in der Schule versieht.

Es geht mir und so vielen Kolleginnen und Kollegen nicht darum, mich vor einem mehr oder weniger unangenehmen Schnelltest zu drücken oder mich in die Reihe der „Impfvordrängler“ einzureihen. Es geht mit ganz einfach um die Gesundheit der Kinder und aller Mitglieder der Schulfamilie.

Wütend macht mich dann, dass es all die Probleme nicht geben würde, würde man den Eltern nicht pauschal (unentschuldbare) Verantwortungslosigkeit unterstellen!

Würde man in vernünftiger Art und Weise den Eltern erklären, worin die Problematik besteht und eine entsprechende Verbindlichkeit schaffen (freilich niemals 100%, die es ohnehin nicht gibt!), so könnten all die Probleme mit einem Test zuhause vermieden werden.

Ja, es wird Eltern geben, die die Tests vergessen, verschlampen … aber ein ganz einfacher arithmetischer Fakt macht diese (an den meisten Schulen sehr kleine?) Gruppe vernachlässigbar: In allen aktuellen Plänen sollen alle Schülerinnen und Schüler (nur) 2mal pro Woche getestet werden. Da bedeutet eine Abdeckung von je nach Sichtweise 40% bis 60% (Schüler wird an zwei von drei/ zwei von fünf Schultagen getestet). Ob es dann mit der eingerechneten Gruppe 38% oder 58% sind, ist statistisch irrelevant.

Nochmals zum Abschluss:

Liebe Frau Günther, mag sein, dass Sie ein negatives Bild vom Lehrer als Impfvordränger, „EinUhrHeimgeher“, „Corona-Urlauber“, „Komfortzonen-Jobber“ haben…. Ich persönlich hätte null Problem damit, die mir anvertrauten Kinder zu testen…. Und ganz viele Kolleginnen und Kollegen definitiv auch nicht! Womit ich ein Problem habe: Wenn nicht das Menschenmögliche getan wird, um die Gesundheit unserer Schulfamilie (insbesondere der Kinder) zu schützen! Das und nicht weniger fordere ich von unserem Dienstherrn und auch von Ihnen! Und mir konnte bis heute niemand erklären, wie dieser Anspruch des minimierten Risikos mit Tests IM Klassenzimmer erfüllt sein soll!

Ein Gedanke zu „Das unverschämte Ultimatum der Lehrer – eine Gegenrede

  1. Maria Turner

    Danke Mike, das ist ein sehr guter, stichhaltiger Gegenbrief, den ich voll unterschreiben kann.
    Furchtbar, wie man mit uns Fußball spielt …

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