Das Schulbuch-Problem

Von | 5. Juni 2022

Im folgenden Artikel soll die aktuelle Situation der digitalen Schulbücher im Schulalltag beschrieben, analysiert und perspektivisch betrachtet werden.

Die aktuelle Situation an unserer Schule

Bücher im Bestand

Dank verschiedener Projekte und Initiativen (u.a. Digitale Schule 2020, … ) stand unserer Schule das komplette Portfolio aller digitalen Schulbücher bis ca. 2021 aller namhaften Verlage zur Verfügung. Erst in diesem Schuljahr “fielen wir wieder auf den allgemeinen Stand zurück”, mussten also alle Bücher wie gewohnt lizensieren.

Die klassischen physikalischen Bücher besitzen wir in allen Fächern, in denen sich solche bewährt haben und die die Lehrkräfte gerne einsetzen.

Lehrplan-Umstellung

Durch die Einführung des neuen LehrplanPLUS wurden sukzessiv neue Bücher fällig, was sich bei genauerer Betrachtung als mehr oder minder großes Problem erweisen sollte:

  • keine Verfügbarkeit
  • große Menge an Büchern überfordert den Haushalt
  • digitale Angebote nicht ausgereift

Da an dieser Stelle nur eine Beschreibung der aktuellen Situation im Mittelpunkt stehen soll, möchte ich diese Punkte nur kurz anreißen im Rahmen der Liste.

Probleme mit (digitalen) Schulbüchern

Die Login-Problematik: Wer soll da noch durchblicken?

Eines der Hauptprobleme im Schulalltag und in der Benutzung unserer Erfahrung nach der größte Nervfaktor: Jeder Schüler und jede Schülerin benötigen bei scheinbar jedem Verlag einen eigenen Account, der dazu noch jährlich aktualisiert werden muss.

In der Praxis erfordert es einen enormen Aufwand, zu Beginn des Schuljahres entsprechende Codes für einzelne Kinder/Jugendliche zu hinterlegen bzw. diese zu registrieren. Frust und Supportaufwand sind nahezu garantiert und führen zu einem Nutzererlebnis, das an das blanke Grauen grenzt und mit großer Gewissheit die Frage aufwirft: “Warum gibt es kein SSO (=”eine Anmeldung für alle Dienste”)?”. Doch dazu später mehr!

Das Lizenzierungsproblem: Wer darf was und was ist verboten?

Es ist wahrlich kein Geheimnis, dass (zumindest in Bayern) Lehrkräfte in Nebentätigkeit, also komplett neben ihrem schulischen Dienst eigenverantwortlich – also ohne Auftrag des Dienstherrn – für Verlage solche Bücher “erschaffen”. Erfahrungsgemäß liefern solche Lehrkräfte den Content, während die Verlage diese dann in Reinform bringen.

Das größte Problem dabei: Alle Rechte liegen bei den Verlagen. Und diese sind zumeist so gefasst, dass es zumindest unsicher erscheint, ob ein Endnutzer etwaige Screenshots oder Aufgaben z.B. in einem LMS nutzen darf. (Sicher, es gibt Bestimmungen, die einen gewissen Umfang der Nutzung in Lernumgebungen erlauben, aber davor schrecken nicht wenige Lehrkräfte aufgrund der angesprochenen Problematik in der Praxis oft zurück!)

Das Kommerz-Problem: Warum stellt man nicht die Bildung der Kinder in den Mittelpunkt?

Bezugnehmend auf den ersten Punkt frustriert die Schulen im Alltag ein anderes Problem: Offensichtlich gibt es weder von staatlicher Seite noch Seiten der Verlage ein Verlangen, z.B. in einem einheitlichen Prozesse den Login zu digitalen Schulbüchern herstellerübergreifend zu standardisieren und unter einem Dach zusammenzuführen.

Der wie gewöhnlich mehr oder weniger gut funktionierende Flurfunk spricht davon, dass die Verlage zu sehr an Daten interessiert sind, die man in anderem Zusammenhang für „In-App-Käufe“ zu nutzen weiß. Durch geschickte Lobby-Arbeit wäre dann auch eine eher als schleppend zu bezeichnende Entwicklung der öffentlichen Hand möglicherweise erklärbar 😉

Fazit

Dass die gegenwärtige Situation rund um digitale Schulbücher als unzureichend und bisweilen nervtötend zu bezeichnen ist, ist offensichtlich. Ohne es sich zu einfach machen und gezieltes Bashing betreiben zu wollen, scheint es nach aktueller Sachlage eindeutig: Die Schulbuchverlage scheinen – bis zu einem gewissen Maße nachvollziehbar! – mehr am eigenen Profit als an einer Weiterentwicklung des Schulalltags interessiert zu sein. Nach inzwischen endlos erscheinenden Jahren – und vor allem in der Corona-Zeit – fühlen sich Schulen zunehmend alleingelassen und ignoriert in ihren Bedürfnissen. Gerade mit der erhöhten Verbreitung von 1:1-Klassen steigt der Bedarf enorm und verschärft damit das Problem durch extremen Kostenanstieg und nicht mehr zu bewältigenden Supportaufwand.

Perspektive

Wie es gehen könnte bzw. wie man das Problem lösen könnte, ist – leider mal wieder – nicht so einfach zu beantworten. Für mich scheint klar: Ändert sich die Handlungsweise der Player nicht, wird die Schulbuchverlage das gleiche Schicksal ereilen wie schon den guten alten Brockhaus oder die Videotheken: Die Disruption wird Fakten schaffen und den Verlagen vor Augen führen, dass der alte Spruch stimmt:

Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.

Vielversprechende Lösungsansätze gibt es einige: Das Schweizer Modell könnte im Prozess der Entstehung von Schulbüchern einen Weg zeigen. Noch vielversprechender scheinen die Ansätze, die man in Österreich z.B. mit dem schubu.at verfolgt.

Dass das an und für sich sehr gut gemachte hierzulande entstandene mbook gerüchteweise vor dem Aus steht, gilt es zu untersuchen und daraus zu lernen.

Denn Eines steht für mich fest: So wird es mit den digitalen Schulbüchern definitiv nicht weitergehen. Die gerade jüngst in Bayern ins Leben gerufene Initiative Digitale Schule der Zukunft wird diese Problematik in einer Art und Weise offenlegen, die auch dem letzten “Verweigerer” die Augen öffnen wird.

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